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Das Wetter ist doch das Letzte

150 taz-Wahrheit-Texte

Der tägliche Wetterkasten auf der Wahrheit-Seite, der letzten Seite der der taz, diente ursprünglich dazu, den Lesern die tatsächlichen Wetterinformationen zu liefern. Das wurde den damaligen Redakteuren aber bald zu langweilig, so dass sie die Informationen in immer absurdere Formulierungen verpackten. Das ging so weit, dass die Wetter-Informationen bald mehr und mehr wegfielen und der Wetterkasten sich zu dem Format entwickelte, das er heute ist: Er beherbergt täglich eine kleine, absurde oder witzige Kurzgeschichte. Die Texte sind oft skurril oder haben unerwartete Pointen, mit denen die Leser überrascht werden sollen. Manchmal wird aus einem besonders erquicklichen Sujet sogar eine ganze Serie von Kurzgeschichten, etwa die Abenteuer des Piratenkäptens Tütü, die spannende Schatzsuche von Baxter und Scott Columbus oder die herzergreifende Arzt-Romanze um Dr. Sündikuss.
Alle Texte werden im Buch auf je einer Seite präsentiert, eingezeichnete Schnittmarken zeigen an, dass die Texte nicht bloß gelesen sein wollen, sondern darauf hoffen, in Umlauf gebracht zu werden. Einmal ausgeschnitten, kann man sie z. B. per Post versenden, an Laternenpfähle kleben oder bei der nächsten Bundestagswahl statt eines Stimmzettels abgeben.

Seit dem Jahr 2000 schrieb Corinna Stegemann 95,73% der Wettergeschichten, alle Texte des Buches sind von ihr. Das Covermotiv ist von taz-Wahrheit-Zeichner Tom Körner, der auch im Buch mit einem Daumenkino vertreten ist.


Leseprobe:

Eberhard Hood
 
Eberhard Hood hatte stets etwas neidisch auf seinen älteren Bruder Robin geblickt, weil der ein Held war. Eberhard Hood war Verkäufer in einem großen Textilkaufhaus und verbrachte seine Tage damit, ungeschickten Herren die seidenen Krawatten zu binden, zu denen er, Eberhard, den Herren gerade geraten hatte. Einmal aber bekam Eberhard Hood auch Gelegenheit zu einer Heldentat: Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie ein Kollege einem ahnungslosen Kunden ein unpassendes Hemd zu einem neuen Anzug aufschwatzen wollte. Mit dem lauten Schrei »Nein!!!« warf er sich dazwischen und konnte so das Schlimmste verhindern. Und von dieser Heldentat erzählte Eberhard Hood für den Rest seines Lebens immer wieder.
 

Im Forst

Bäume, Sträucher, Füchse, Hasen, Rehe, Eichhörnchen, Laub, Brennesseln, Bäche, Käfer, Eulen, Wiesel, Hülskrabben, Krähen, Eidechsen, Beeren, Bären, Wölfe, Äste, Steine, Weidenkätzchen, Fasane, Matsche, Ringelnattern, Hirsche, Dachse, Spitzmäuse, Kräuter, Baummarder, Wildschweine, Asseln, Farne, Eicheln, Kreuzottern, Bucheckern, Igel, Pilze, Falter, Baumstümpfe, Würmer, Spinnen, Wilderer, Gras, Kuckucke, Schnecken, Siebenschläfer, Waldkäuze, Kröten, Rinden, Fallen, Böschungen, Feuersalamander, Termiten, Fichten, Buchen, Rebhühner, Tannen, Hochsitze, Elche, Regen, Lichtungen, Efeu, Spechte und immer wieder Bäume, Bäume, nichts als Bäume ... Es war Joachims erster Tag als Förster-Azubi, und schon kotzte ihn alles an.


Der Labernde Mönch
 
Der Labernde Mönch war das gefürchtetste aller Gespenster, die sich je auf Schloss Schreckenstein herumgetrieben hatten. Allnächtlich tauchte er auf und fing an zu labern. Ununterbrochen, ohne Punkt und Komma laberte er den Schlossbewohnern die Ohren voll. Er erzählte den langweiligsten Mist, die ältesten Geschichten, die schrecklichsten Witze – und er ließ sich einfach nicht abschütteln. Manchmal folgte er den Schreckensteinern sogar aufs Klo, oder er stand am Fußende eines Bettes und laberte so nervtötend herum, dass an Schlaf nicht zu denken war. Wie gern hätten die Schlossbewohner den Schweigenden Mönch zurückgehabt, aber der hatte beim Auftauchen des Labernden Mönches flugs das Weite gesucht.



Buch bestellen (14,- EUR)

978-3-941895-90-4, Klappenbroschur, 335 Seiten, 14 €, auch als E-Book in allen gängigen Formaten erhältlich für 5,99 EUR!