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Erik Eriksson

Erik Eriksson arbeitete zunächst als Volksschullehrer, bevor er Journalist und dann Produzent beim Schwedischen Fernsehen wurde. Seine Fernsehreportagen über den Vietnam-Krieg machten ihn in vielen Ländern bekannt. Erik Eriksson hat etwa 40 Bücher geschrieben: Novellensammlungen, Jugendbücher und Romane – darunter auch mehrere Kriminalromane, von denen einer verfilmt wurde. Für sein Lebenswerk hat Erik Eriksson am 20. August 2009 den Literaturpreis des schwedischen Buchhandels (Aniara-priset) erhalten.



Interview mit Erik Eriksson

1. Sie waren ja erst Lehrer und dann Fernsehjournalist. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Mein größtes Interesse galt immer dem Schreiben. Während der 60er Jahre, als der Vietnam-Krieg das Hauptthema wurde, habe ich gerade meinen Job als Lehrer gekündigt. Ich studierte an der Universität und begann, Artikel in schwedischen Zeitungen zu schreiben. 1968 reiste ich nach Vietnam, um mir selbst ein Bild zu machen. So wurde ich Reporter, zuerst für eine große Tageszeitung und später fürs schwedische Fernsehen. Nachdem ich mehrere Jahre aus Vietnam berichtet und danach TV-Reportagen über schwedische soziale Probleme gemacht habe, kehrte ich wieder zum Schreiben zurück. Aber mittlerweile hatte ich so viel über Fakten und Ereignisse berichtet, dass mir Menschen, Emotionen, Lebenserfahrung fehlten, und wurde Belletristik-Autor.

2. Gibt es ein Genre, das Sie beim Schreiben bevorzugen?
Als ich als Belletristik-Autor anfing, veröffentlichte ich Kurzgeschichten. Ich erhielt gute Kritiken und dachte, dass das mein Genre wäre. Aber die Verlage wollten Romane, sie sagten, dass sich Kurzgeschichten nicht verkaufen würden. Also schrieb ich Romane und sie verkauften sich sehr gut. Dennoch habe ich einige Sammlungen von Kurzgeschichten veröffentlicht, die von der Presse gut angenommen wurden. Ich werde weiter Romane schreiben, liebe jedoch Kurzgeschichten.

3. Zu den neuesten Werken, die der Oktober Verlag von Ihnen in Deutschland veröffentlicht, zählt u. a. Ihre persönliche Familiengeschichte.
Wie kam es zu der Entscheidung, sie aufzuschreiben?

Wenn man älter wird, fragt man sich oft: Was hat mich zu der Person gemacht, die ich bin? Mein Weg der Untersuchung meines eigenen Hintergrundes war das Schreiben eines Romans über meine Familienangehörigen, ihre Familienverhältnisse, ihr Scheitern und Kampf. Bei der Recherche und beim Schreiben kam ich mir selbst näher, aber es war nicht einfach.

4. Wie lange haben Sie an Ihrer persönlichen Familiengeschichte gearbeitet (Recherche, Schreiben …)?
Ich habe viele Jahre lang Material für meine Familiengeschichte gesammelt: durch Fragen an meine Verwandten, das Lesen von Briefen, das Hören von Geschichten. Aber es war während einer konzentrierten Zeitspanne von einem Jahr, als ich das Buch geschrieben habe. Meine Mutter war gerade gestorben, als ich anfing zu schreiben.

5. Neben Kurzgeschichten und ihrer Familiengeschichte schreiben sie auch Krimis. Woher kam die Idee, mehrere Krimis mit Journalisten der Norrtelje Tidning zu schreiben? Und wie war es, bei dieser Schreibweise (jedes Kapitel wird von jemand anderem geschrieben) auf die anderen Schreiber einzugehen?
Bei einem Redaktionstreffen für Reporter und Autoren der Norrtelje Tidning sagte jemand: Warum schreiben wir nicht eine Stafettengeschichte? Alle waren einverstanden und fünf von uns schrieben »Der Mann von der anderen Seite«. Alle Autoren waren erfahrene Nachrichtenreporter, so dass wir gewohnt waren, kurz zu schreiben, zu redigieren, zu streichen. Es hat großen Spaß gemacht. Wir waren uns einig, dass wir es noch mal machen möchten, und noch mal. Da ich normalerweise während langer Perioden allein arbeite, war diese Arbeit eine erfreuliche Abwechslung.

6. Mittlerweile haben Sie schon ungefähr 40 Bücher veröffentlicht. Woher nehmen Sie die Inspiration für all die Bücher?
Die Ideen kommen aus meiner eigenen Lebenserfahrung: Kindheit, Familie, Beziehungen, Liebe, Natur, Krieg und Frieden. Und auch aus dem, was ich um mich herum beobachte: das Leben von Freunden und unbekannten Personen. Ich bin neugierig, interessiert, mache mir Notizen und merke eines Tages, dass ich eine Geschichte zu erzählen habe.

7. Schreiben Sie manchmal an mehreren Büchern gleichzeitig oder ziehen Sie es vor, eins nach dem anderen zu schreiben?
Ich kann nur ein Buch zu einer Zeit schreiben. Wenn ich einen Roman zu schreiben beginne, konzentriere ich mich nur auf diese Geschichte – ich arbeite mit ihr, lebe mit ihr und wache mit ihr morgens auf. Aber manchmal kann ich eine kurze Pause machen, wenn ich in der Mitte eines Romans bin, und schreibe eine Kurzgeschichte. Es kann einen Tag, zwei Tage oder drei dauern und dann kehre ich zum Roman zurück. Es ist allerdings eine Ausnahme, normalerweise arbeite ich für den Moment nur an einer Geschichte.

8. Wissen Sie schon, wie eine Geschichte enden wird, wenn Sie sie anfangen?
Es hängt von der Geschichte ab. Wenn ich einen Krimi schreibe, entwerfe ich ein Storyboard/ Szenenbuch mit Anfang und Ende. Das Ende ist wichtig, wenn man Thriller schreibt. Es ist wie ein Puzzle, das letzte Stück muss hineinpassen. Ein gewöhnlicher Roman über Beziehungen ist anders. Er ist wie das Leben, man weiß nie, was passieren wird. Und es ist spannend, in der Mitte einer Geschichte zu sein und plötzlich zu sehen, wie sich Dinge in eine Richtung entwickelt haben, die man nie erwartet hätte.

9. Darf jemand anders Ihre Geschichten lesen, bevor sie fertig sind und lassen Sie sich beim Schreiben von anderen beraten?
Mein Lektor ist der Einzige, der meine Manuskripte liest, bevor sie veröffentlicht werden. In manchen Fällen habe ich Freunde gebeten, zu lesen und Kommentare zu machen. Aber das ist ungewöhnlich. Ich bevorzuge es, vom Anfang bis zur letzten Seite alleine zu arbeiten.

10. An welcher Geschichte arbeiten Sie gerade aktuell?
Zurzeit schreibe ich den dritten Teil einer Reihe namens »Die Erzählung unserer neuen Zeit«. Dieser dritte Band hat noch keinen Titel. Es ist eine Geschichte über eine kleine Gruppe von Menschen aus Stockholm, wir folgen ihnen von ihrer Jugend bis in die Vierziger, durch die Fünfziger und Sechziger. Es ist eine dreiteilige Erzählung über eine Stadt und über die Komplikationen der Liebe.

Vielen Dank für das Interview.
 
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