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Carsten Krystofiak

Carsten Krystofiak, geboren vor Erfindung des Internets im San Francisco-Hospital zu Münster. Als Kind gutwillig, aber unartig. Als Jugendlicher gutartig, aber unwillig. Nach der Schule zwanzig Monate Omas Füttern, dann irgendwas mit Medien. Inzwischen hält seit über 40 Jahren die Beziehung Krystofiak-Münster. Und wie so häufig in einer Beziehung: Man schlägt sich, aber im Grunde liebt man sich. Und weil Krystofiak Münster liebt, sammelt er alles, was er über seine Stadt in den Papiertonnen der Lokalpresse findet und mag es gar nicht, wenn andere Kerle an ihr herumfummeln.


Interview mit Carsten Krystofiak

Populistische Geschichte beschäftigt sich heutzutage tendenziell gerne mit Großereignissen oder frisch ausgegrabenen Nazi-Details. Sie setzen sich mit Zeitzeichen auseinander. Warum?
»Populistische Geschichte«? Wie auch immer: Ich glaube, die konkrete Terminierung historischer Ereignisse (»in dieser Woche vor X Jahren...«) macht Geschichte plastischer. Man hat z.B. die Jahreszeit vor Augen, in der das Ereignis stattfand.

Alles dreht sich um das schöne Münster. Hätten Sie ähnlichen Eifer für Köln oder ein Dorf in Bayern aufbringen können? Was macht Ihre Bindung zur Münsteraner Stadtgeschichte aus?
Ich habe keine Ahnung von der Lokalgeschichte von Köln oder bayerischer Dörfer. Ich bin gebürtiger Münsteraner, das erklärt die Bindung. Hinzu kommt, dass Münsters Geschichte gemessen an Größe und Bedeutung der Stadt bemerkenswert ereignisreich ist.

Was waren ihre Quellen? Wo findet man Stories über nackte Proteste und Chemielaborexplosionen?
Meistens dort, wo sie andere übersehen. Die besten Geschichten steckten hinter vagen Andeutungen in Presseartikeln oder Büchern. Ich habe keine Ahnung, warum.

Sie sind beruflich unter anderem Werbekaufmann. Hat Journalismus auch immer etwas mit verkaufen zu tun? Sind die Reportagen ein Raum, wo Sie ihre Kompetenzen verbinden können?
Nein. Journalismus ist meine Erholung vom Werbetexten. Außerdem sollte Journalismus nichts mit Verkaufen zu tun haben. Die Realität sieht allerdings anders aus …

Sie sind auch schon mal live mit ihren Geschichten aufgetreten. Was war ihr Highlight?
Das Publikum hat andere Highlights als ich. Ich liebe am meisten die verrückte Geschichte des Versuchs der Westfalen, 1919 einen eigenen Nationalstaat zu gründen (»Emsrepublik«). Die Zuschauer mögen oft am meisten die ungeahnte Entstehungsgeschichte der internationalen Skulpturenausstellung (nämlich »zur Strafe« für den Wutprotest anlässlich der ersten modernen Freiplastik).

Mit Sicherheit gab es allerhand Reaktionen auf ihre Geschichten. Wissen Sie von besonders witzigem oder schockierendem Feedback zu berichten?
Eigentlich nicht. Aber manchmal bekomme ich wertvolle Zusatzinformationen – die dann zu weiteren Zeitzeichen führen.

Sie sind ein Kenner damaliger Jahre (in Münster). Bieten sich im Hier und Jetzt genauso interessante Zeitzeichen an wie die der letzten Jahren?
Unbedingt! Die Geschichte hört ja nicht auf. Von Realsatiren wie dem Eiertanz um das Islaminstitut oder die Umbenennung des Hindenburgplatzes bis zu unspektakulären, aber bewegenden Ereignissen, wie dem Tod des Obdachlosen, der 20 Jahre hinter der Uni-Mensa lebte, bis hin zu ganz aktuellen Dingen wie dem jetzigen Jahrhunderthochwasser, dass diesen Namen mal wirklich verdient.

Vielen Dank für das Interview.


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